001 - Unter falscher Flagge by Marc Jansen

001 - Unter falscher Flagge by Marc Jansen

Autor:Marc Jansen [Jansen, Marc]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Thriller/Krimi
ISBN: 9783104914688
Herausgeber: Fischer e-books
veröffentlicht: 2023-07-31T23:00:00+00:00


21

Zwei Kugeln durchschlugen das Gesicht der Hamburger Umweltsenatorin. Sie zerfetzten das Plakat mit Kleinfelders Konterfei, bevor sich der Schall im frühmorgendlichen Wald verlor.

Gemeinsam mit Jerome und Ansgar hatte Petra im Frühjahr einen improvisierten Schießstand in den Wald gebaut. Ein paar Stämme, Bretter mit Zielscheiben – Plakaten, Schattenrissen – und eine knorrige, umgestürzte Fichte, von der aus man feuern konnte, wenn man nicht versuchen wollte, sich hinter Bäumen anzuschleichen.

Zufrieden senkte Petra, die in aller Herrgottsfrühe hergekommen war, ihre Pistole. Die P8 lag viel besser in der Hand als das vierzig Jahre alte Schreckschussding von früher. Die P8 war echt und tödlich.

Sie hätte niemals gedacht, dass ihr das Schießen so viel Spaß machen würde, doch es berauschte sie. Am liebsten hätte sie noch viel öfter geschossen, doch sie hatte sich zusammenzureißen. Der Schießstand lag zwar versteckt, doch im dichten Wald und der Senke hallten die Schüsse wider. Außerdem war Munition teuer.

Petra las die beiden Hülsen auf. Es war befriedigend, der Papp-Kleinfelder ein paar zu verpassen. Aber war sie auch bereit, auf die echte Kleinfelder zu schießen?

Würde sie das bringen?

Sie erinnerte sich an gestern, als sie auf dem Dach des Hausboots ausgeharrt hatte, die P8 schwer in der Hand. Sie hatte sich stark gefühlt. Viel stärker als diese Kommissarin, die offensichtlich zu viele Männergeschichten am Laufen hatte und keine Kraft, keinen Willen mehr hatte.

Noch einmal hob Petra die Pistole und legte auf das durchlöcherte Konterfei der Umweltsenatorin an.

Das dämlich feiste Lächeln vom Wahlplakat vermischte sich mit Petras Erinnerung an die echte Kleinfelder, wimmernd und halb nackt auf dem Deck kauernd. Wie ein Nichts, wie ein Niemand. Nicht wie die Volljuristin aus dem Senat, die es geschickt verstand, die Hand aufzuhalten und jeden Mist durchzuwinken und die Natur mit Füßen zu treten. Nur auf den Vorteil bedacht, aber vorgeben, als täte man Gutes für die Welt.

Gutes! Petra verzog angeekelt das Gesicht. Diese widerliche Kleinfelder.

Sie ließ die Waffe sinken. Ansgar war früh zum Institut geradelt und Jerome sicher zur Arbeit im Containerhafen gefahren.

Ein Ast knackte irgendwo hinter ihr, und sie fuhr mit der erhobenen Waffe herum.

Mareike! In kurzer Hose und Springerstiefeln und trotz der Hitze ihrem Bundeswehrparka, den Kragen bis übers Kinn geschlossen, stand sie seltsam verloren zwischen den Bäumen und starrte sie blass an.

»Du bist spät«, stellte Petra fest.

»Ich … ich hatte noch was zu erledigen.« Unsicher stapfte sie näher.

»So früh?«

»Ja, ich … Der Schanberger hat heut Morgen gemailt. Hydrologie. Ich musste erst antworten und …«, begann Mareike sich zu rechtfertigen. »Sind die anderen auch da?«

»Nein. Ich muss mit dir alleine reden.«

»Oh.« Mareike wirkte furchtbar zittrig und dünnhäutig. Das war nicht gut.

Petra kontrollierte, ob sie die Waffe gesichert hatte, dann steckte sie sie lässig in den Hosenbund und trat auf Mareike zu. »Ist okay. Schon gut.« Fürsorglich nahm sie ihre Hände. Mareikes schwarz lackierten Fingernägel waren abgekaut, die Farbe abgeblättert. »Ich weiß, dass du Angst hast. Ich auch. Ich habe auch Angst.«

Mareike nickte. Doch Petra sah den Zweifel in ihren Augen.

»Ich glaube, das haben wir alle«, fuhr sie fort. »Das ist okay, Mareike. Angst zu haben, meine ich.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.